Der Vertrag von Tordesillas
© Peter BigorajskiVor Kolumbus war Portugal das Land in Europa, welches am meisten an der Entdeckung und Eroberung neuer Länder und Seewege beteiligt war. Portugal war schon seit Jahrzehnten in der Entdeckung der afrikanischen Küste engagiert, als auch in der Suche eines Seeweges nach Indien und zu den Gewürzinseln. Auf diese Weise war Portugal bis zum Ende des 15ten Jahrhunderts die dominierende Seemacht geworden. Mit der Entdeckungsreise des Kolumbus westwärts zum amerikanischen Kontinent, wurde es notwendig, zu einer Übereinkunft zwischen Spanien und Portugal zu kommen, um Gebiete festzulegen, in welcher eindeutig die eine oder andere Seemacht Gebietsansprüche erheben konnte, um sich nicht ins Gehege zu kommen und womöglich einen kriegerischen Konflikt zu produzieren. Spanien wollte seine neu entdeckten Gebiete im Westen sichern, während Portugal sich die Exklusivität seiner Afrikaroute erhalten wollte.
Spanien und Portugal waren die zwei dominierenden katholischen Kräfte jener Zeit, und somit lag es auch im Interesse des Vatikans eine gütliche Regelung zwischen beiden herbeizuführen.
Papst Alexander der VI. (Rodrigo Borgia) reagierte schnell und legte am 4. Mai 1493 eine Demarkationslinie fest, welche in Nord-Süd Richtung von Pol zu Pol durch den Atlantischen Ozean lief, und bei 100 Leguas (ca.480km) westlich der Kapverdischen Inseln festgelegt wurde. Spanien wurden alle Rechte westlich dieser Linie zugesprochen, d.h. die neue Welt; und Portugal alle östlich davon gelegenen Gebiete, sprich Afrika und Asien.
Die Portugiesen waren jedoch unzufrieden mit dieser Regelung und fühlten sich benachteiligt, und daraufhin wurde die Demarkationslinie auf 370 Leguas (ca. 1770 km) westlich der Kapverdischen Inseln festgelegt. Diese Vereinbarung wurde im Juni 1494 im Vertrag von Tordesillas festgehalten.
Zu dieser Zeit waren die Existenz und die Umrisse des Nord- und Südamerikanischen Kontinents so gut wie unbekannt, da noch niemand an den Küstenlinien entlanggesegelt war. Somit war sich auch niemand bewusst, dass durch die Vereinbarung von Tordesillas der östliche Teil des brasilianischen Festlandes dem portugiesischen Hoheitsgebiet zuzurechnen war.
Unglücklicherweise bestanden trotzdem Unklarheiten bezüglich des exakten Verlaufes der Demarkationslinie, da man sich nicht einigen konnte, ob der Ausgangspunkt der Messung sich auf die östliche oder die westliche Grenze der Kapverdischen Inseln bezog, einer Differenz von immerhin 60 Leguas oder ca. 290 km. Auch stritt man darum, ob denn wirklich die Kapverdischen Inseln gemeint seien, oder das Kap Verde auf dem afrikanischen Festland.
Die Auseinandersetzungen wurden noch weiterhin kompliziert, da die Legua in Spanien und in Portugal verschieden bewertet wurde, und die spanische und portugiesische Legua wiederum eine andere Länge hatten als die englische oder französische Legua. Die portugiesische Légua de maritima (Seemeile) war nur halb so lang wie die Légua de sesmaria (Landmeile), und weitere Unterschiede taten sich auf, da es sowohl eine alte, als auch eine neue Berechnung der portugiesischen Legua gab.
Auf Grund dieser Konfusion wusste niemand genau, wo die Demarkationslinie nun verlaufen sollte und die Diskussionen nahmen kein Ende.
Als mit der Zeit der portugiesische Einfluss und die Eroberung Brasiliens zunahm, wurden die ausgehandelten Grenzen von den Portugiesen mehr und mehr ignoriert, und das portugiesische Territorium derart ausgedehnt, bis die Grenzen des heutigen Brasilien erreicht waren. Die Demarkationslinie wurde zusammen mit allen darauf basierenden Vereinbarungen 1750 durch einen neuen Vertrag aufgehoben.